Es geht nicht um den Kriminalfall, nicht um die Opfer, es geht um die österreichische Befindlichkeit*

2 Mai

Wir lassen nicht zu, dass ganz Österreich, unsere gesamte Bevölkerung von einem kriminellen, grausamen Einzeltäter in Geiselhaft genommen wird.

Alfred Gusenbauer, Bundeskanzler der Republik Österreich, 1.5.2008

Da ist er also wieder: Der ganz normale österreichische Opferreflex. Ein paar Anmerkungen in internationalen Zeitungen, wonach Amstetten vielleicht nicht von ungefähr gerade in Österreich stattgefunden haben könnte genügen, um den mächtigsten Politiker des Landes zu einigen absurden Sätzen hinzureissen.

Im Ernst behauptet kaum jemand, dass gerade in Österreich die Anzahl der in Kellern oder sonstwo unfreiwillig verwahrten Menschen besonders hoch sein müsste und nur wenige bringen das folgerichtig mit austriakischen Standards wie Verdrängung oder Sigmund Freud in Verbindung.

Es geht um etwas anderes: Was sollen internationale Medienvertreter (die die österreichischen „Gepflogenheiten“ vielleicht nicht kennen) von einer Behörde halten, deren oberstes Ziel zu sein scheint nachzuweisen, dass sie selbst nichts falsch gemacht hat. Auch das zahnradartige Ineinandergreifen der verschiedenen (Teil-)Behörden (Innenministerium, Polizei, Justiz, Landtag, Bundesregierung, Wohlfahrt usw) schaut naturgemäss von aussen betrachtet nicht gut aus. Man gewinnt sehr leicht den Eindruck, dass das in Österreich offensichtlich alles eins zu sein scheint und eine Rabe hackt der anderen kein Auge aus. Dazu kommen Personen, die ihrer Aufgabe offensichtlich nicht gewachsen sind: Wie kann Franz Polzer, Leiter des Kriminalamts Niederösterreich den mutmasslichen Täter als „stattlich und erstaunlich potent“ bezeichnen (NZZ, 2.5.2008) ohne danach für diesen Satz den Hut nehmen zu müssen (was selbstverständlich gewesen wäre). Wie kann ein anderer hoher Behördenvertreter von einer Person „einen guten Eindruck“ haben, nur weil dieser „gut angezogen“ ist und sich einigermassen ausdrücken kann, ohne dass er 24 Stunden später, nachdem sich herausstellt, dass besagte Person offensichtlich ein Tier ist und Kinder vergewaltigt und Jahrzehnte im Keller einsperrt zumindest irgendwer sagt, dass dieser Mann wegen fehlendem Mindestmass an Menschenkenntnis für seinen Topjob möglicherweise unterqualifiziert ist.

Was die Bundesregierung jetzt plant, ist wohl das lächerlichste was man sich vorstellen kann: Anstatt ein paar Millionen einzusetzen, um die gröbsten Missstände in dieser Republik zu beseitigen, sollen jetzt tatsächlich ein paar Millionen in eine PR-Aktion gesteckt werden, in der dann vermutlich gesagt werden soll, dass Österreich eben kein Land der Kindervergewaltiger und Kindereinsperrer sei. Dass damit wohl das Gegenteil erreicht werden wird, sei nur so angemerkt. Jede wie auch immer geartete Kampagne bringt in den Köpfen der Menschen die Begriffe „eingesperrte und vergewaltigte Kinder“ und „Österreich“ in einer Weise zusammen, die man wohl nicht beabsichtigt.

Die österreichischen Behörden betrachten den Kinderschänder von Amstetten offensichtlich als einen, der Behörden angreifen, Behörden anpatzen möchte, Behördenfehler sichtbar machen möchte und vergessen dabei, dass jener Mann in erster Linie Frauen, Kinder vergewaltigt, Menschen terroristiert, eingeschüchtert und weggesperrt hat. Ob er auch getötet hat, wird hoffentlich auch noch geklärt.

* = eigentlich Wehleidigkeit

2 Antworten to “Es geht nicht um den Kriminalfall, nicht um die Opfer, es geht um die österreichische Befindlichkeit*”

  1. bernd Mai 3, 2008 um 2:24 pm #

    Österreich ist genauso wenig das Land der Kinderschänder wie Belgien oder Deutschland. In der jüngsten Vergangenheit wurde das Fehlverhalten deutscher Behörden in zahlreichen Fällen öffentlich angeprangert, Jugendämter müssen sich wegen Tötung durch Unterlassung verantworten. Es täte Österreich gut, wenn hier auch Mitverantwortung von den Behörden übernommen würde, die extrem blauäugig einem vorbestraften Sexualstraftäter mit „Schutzräumen“ im Keller abgekauft haben, dass ständig Kinder vor seiner Haustür liegen, die mit ihm nichts zu tun haben. Eine einzige Hausdurchsuchung nach dem Verschwinden der Tochter, ein einziger Vaterschaftstest hätte genügt.

  2. marie Mai 18, 2008 um 10:55 pm #

    >Wie kann ein anderer hoher Behördenvertreter >von einer Person “einen guten Eindruck” haben, >nur weil dieser “gut angezogen” ist und sich >einigermassen ausdrücken kann….

    Unbegreiflich oder – dennoch durchaus gängig und üblich.

    Fall: Nach neuem Kindschaftsrecht darf Kind ab 14 selbst bestimmen wo es seinen ständigen Aufenthalt nehmen möchte.
    Problem – aber nur für die Mutter – der Vater,der es nach jahrelangem PAS nun endlich die 16 jährige Tochter so weit hat, ist mehrfach vorbestrafter Gewalttäter, Vergewaltiger und als Draufgabe seit je her absichtlich arbeitsloser Unterhaltsverweigerer und Krimineller.
    Kommentar JU-Amt: Wenn Kind will, kann man nichts machen – wir wollen ja nicht dass es dann böse ist. Wohnung des KV besichtigt es ist alles tip – top ?! Mutter, die sich 16 Jahre um alles gekümmert, sich nie etwas zu schulden kommen hat lassen und arbeitet, muss sich ob wüster Beschuldigungen rechtfertigen und fürchten, dass dem „Willen des Kindes“ entsprochen, und somit auf das Treiben eines verurteilten Triebtäters keinen Einfluss mehr hat.
    Am Ende wird es sein, wie es immer ist – die Behörden haben von nichts gewußt- und schuld ist die Mutter, denn sie hat es gewußt und nicht verhindert.

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